Windreiche WM der Flying Dutchman Klasse               6 FD-Segler vom SCAI kämpfen mit

(Campione, Gardasee, 05./10.09.2022 — Text: Friedl Buhl, Bilder ©: (siehe Bildangaben))

Wieder einmal Weltmeisterschaft der Flying Dutchman Klasse auf dem Gardasee. Dieses erstklassige Süßwasser-Segelrevier lockte nach 1995 (Torbole) und 2011 (Malcesine) wieder außergewöhnliche viele Teilnehmer an. Diesmal nach Campione (am Westufer): 68 Boote. Früher kamen um die 120 zusammen. Ein wesentlicher Grund für die geringere Zahl war wohl die um Wochen spätere und speziell bezüglich des Gardasees aus verschiedenen Gründen ungünstigere Jahreszeit. Die angenehme Ora (Südwind) lässt dann nämlich eher nur grüßen, und das zugunsten des starken und ruppigen Vento (Nordwind).  

Trotzdem hatten sich immerhin sechs FD-Segler unseres Clubs das FD-Saisons-Highlight in ihren Eventplan geschrieben und diesen mit Respekt-gebührendem Mut auch umgesetzt. Eine gewisse Portion segelsportliches Selbstvertrauen und Können ist wohl für die meisten Regatta-Teilnehmen nötig. Wer sich allerdings über die fünf WM-Segeltage mit 12 geplanten Wettfahrten unter 70 Booten (grenzwertig großes Fleet!) auf den windstrotzenden Gardasee traut, beweist schon eine gediegene Portion Schneid. Und ohne Boot-, Mast- und Schotbruch geht es letztlich dort nur, wenn man auch das seglerische Handwerk, die Kondition und was sonst noch alles dazugehört, wenigstens ordentlich gut beherrscht.

Der Vorspann der WM vollzog sich drei Tage lang im Vermessen der Boote und Ausrüstungsgegenstände. Der Ablauf war zwar gut organisiert. Aber so Manches lief unübertrieben in zu sehr übertriebener Akribie ab. Beispiele: Boot 20 g zu leicht, Schwert partiell 1…2 mm zu schmal, Mastmarken um einige Millimeter ungenau platziert, … usw. All diese Dinge waren irgendwie in Ordnung zu bringen. Das Vermessungsteam hat bezüglich der Sorgfalt und Genauigkeit ihr Bestes gegeben. Danke für ihren tagelangen Einsatz.

Dann war es soweit: Am ersten Wettfahrttag bescherte uns ab Mitte Nachmittag eine mittlere Ora (ca. 3 Beaufort) zwei angenehm zu segelnde aber strategisch (Seitenwahl usw.) anspruchsvolle Wettfahrten. Unter uns SCAI-lern belegte Friedl Buhl / Corni Rogg die beste Tagesleistung (45., 49.). Die beste Einzelplatzierung gelang dem SCAI-Vorschoter Philipp Scholz (59., 41.) mit Steuerfrau Susanne Oed vom Herrschinger Segelclub.

Wer für die weiteren Tage ähnlich sympathische Südwinde erwartet hat, irrte allerdings grundlegend. Sogenannte Morgen-Wettfahrten mit Start 8:00 Uhr (wohlgemerkt: Start, draußen mitten auf dem See! Nicht Auslaufbereitschaft, wie wir die Zeiten am Alpsee verstehen dürfen.). Für mich beispielsweise bedeutete dies in Pieve (Hochplateau-Region Tremosine, 350 m oberhalb des Sees) ein Frühaufstehen um 4:30 Uhr, um gegen 7 Uhr voll gerüstet auf der unter Nordwind schwierigen Slipanlage rechtzeitig auf’s Wasser zum Einsegeln und schließlich Starten zu kommen.

Der zweite Tag hatte es erstmals voll in sich, und er stimmte uns alle auf den Gegensatz zum Vortag ein. Böiger Nordwind von 5 bis 6 Beaufort Grundwind und teils 1 m hohe Wellen. Drei Wettfahrten – lange, aus Dreieck und anschließend linear.  Sie verlangten wohl allen Seglern das Äußerste ab. Wenngleich der Wind zur dritten Wettfahrt etwas weniger stark wehte.

Peter Zeller, SCAI-Vorschoter im Team mit Thomas Römmelt (Herrschinger Segelclub) bestand diese Herausforderung unter den SCAI-Teilnehmern am besten und wirklich mit Bravour (17., 34. und 54.). Corni und ich verbuchten als 28. unser bis dato erfreulichstes Ergebnis. Bis dahin führten die mehrfachen FD-Weltmeister Joergen / Jacob Bojson-Moller (1., Dänemark) knapp vor Szabolcs Majthenyi / Andras Domokos (2., Ungarn).

Am dritten Tag, nach Wetterumbruch und diversen nächtlichen Gewittern im Hinterland-Gebirge erneut etwas für die Starkwind-Segler im harten Nordwind. Die Order des Race Commitees hieß nämlich: „The first warning signal for the 7th of September 2022 is scheduled at 08:00.“ Na dann: Guten Morgen und vor allem „schönes“ Segeln. Der Nordwind wehte bereits nachts außergewöhnlich stark.

Tatsächlich begann der dritte Tag ziemlich dramatisch. Die Wettfahrtleitung ließ prompt ab 7 Uhr auslaufen. Obwohl die voll auflandigen Wellen an der Slipanlage immer höher wurden und ein schadenfreies Ablegen der Boote kaum noch möglich war. Zudem schäumte weiter draußen eindrucksvoll der See. Und der Vento legt erfahrungsgemäß noch eine Schippe drauf, sobald die Bergkämme ins Sonnenlicht eintauchen. Auf See ergaben Messungen schon während der mühsamen Slip-Prozedur Windmessungen von 30…35 Knoten, entspricht satte 7 Bft). Dann die richtige aber leider zu späte Entscheidung: Startverschiebung. Die etwa 30 bereits ausgelaufenen Boote – die anderen waren noch an Land und kämpften mit Auslaufen – wurden in den Hafen beordert. Nur mit geballter Gemeinschaftshilfe konnten diese Boote dann einzeln und Gott sei Dank meist unversehrt an der schwierig zu handhabenden Slipanlagen-Kante gegen den Wellengang gehalten und schließlich an Land getragen werden.

Nach Mittag des dritten Tages konnten dann bei etwas abgemildertem und segelbaren kräftigen Nordwind noch zwei Wettfahrten gesegelt werden. Ein drittes Race wurde während des letzten Viertels abgebrochen, obwohl noch leichter und ordentlich segelbarer Wind allgegenwärtig war. Dies und warum die letzte Kreuz nicht wenigstens rechtzeitig abgekürzt wurde, haben viele nicht nachvollziehen können. Schade, denn wir wären relativ gut gelegen. Und es wäre ein fairer Gegenzug zum bisher vorwiegenden Pressluftsegeln gewesen.

Am vierten Tag – es war Freitag, Donnerstag Reserve- bzw. Ruhetag – ging es nachmittags an den Start. Doch der ansonsten übliche nachmittägliche Südwind ließ nur grüßen (Herbst eben! Und mangelnde Erwärmung im  nördlichen Bergland). Der regelmäßige Morgen- / Vormittags-Wind herrschte mit Macht auch in der zweiten Tageshälfte.

Erneut war einfach nur alles gefordert, was die Segler aufzubieten haben gegen bzw. mit Starkwind und Wellen sowie bestmöglichen strategischen Entscheidungen. Aber das Schwierigste spielte sich für viele Starter und auch für uns meist gleich zu Beginn ab: am Start und in der Nachphase – bei so viel Wind und in einem so großen FD-Feld. Und leider gab es auch zuvor schon mehrere Mastbrüche.

Wir vom SCAI hatten bei diesen Bedingungen nicht wirklich eine Sonne, wie man so schön und leichtfertig sagt. Dies abgesehen vom Team Römmelt / Scholz (heute 15. und 30., beachtlich!). Steuerfrau Oed mit Scholz an der Vorschot erklärte uns später: „Für mich geht es bei diesem Wind da draußen einfach nur ums Überleben.“ Das sagt einiges. Aber auch, dass wir wie alle anderen auch bei diesen Bedingungen kompromisslos mit Spinnaker und den Wellen zu den leewärtigen Kursmarken gebrettert sind. Und immerhin durchwegs ohne Kenterungen. Oed / Scholz konnten allerdings  aus gesundheitlichem Grund heute nicht starten.

Obwohl zum Abschlusstag die Wettfahrtleitung wieder einen eher unerfreulichen Morgenstart um 8 Uhr gepostet hatte, kam es nach Startverschiebung an Land und mehreren Massenfrühstarts dann doch noch zu einem zehnten und Rennen in letzter Minute vor dem absoluten Startsignal-Limit. Und dies unter sympathischer leichter bis mittelmäßiger Ora. Ein schöner und was die Windgegensätze betrifft versöhnlicher Abschluss. Es waren auch für uns SCAI-Teilnehmer angepasste Verhältnisse, bei denen wir durchwegs unsere besten Ergebnisse erzielen konnten: 18. Römmelt / Zeller, 19. Buhl / Rogg, 31. Hirscher / Kyewski und 38. Oed / Scholz. Alles in allem fielen unsere Platzierungen bei den vorwiegenden Starkwinden nicht berauschend aus. Die belegt auch, dass in der bis 1992 olympischen und sehr sportlichen Zweimann-Jolle Flying Dutchman auch heute noch auf international sehr hohem Niveau gesegelt wird.

Gewonnen hat ein deutsches Team – nicht gänzlich überraschend, aber auch nicht unbedingt erwartungsgemäß: Kay-Uwe Lüdtke / Kai Schäfers (Yachtclub Berlin-Grünau bzw. Hannoverscher Yacht-Club). In den zwei Vorjahren reichte es ihnen bereits zum Vizeweltmeister. Und dieses Mal gelang ihnen ihr Toperfolg. Sie entthronten die mehrfachen ungarischen FD-Weltmeister Majthenyi / Domokos und verwiesen sie auf den Platz Bronze-Platz. Die Silbermedaille sowie den „Mexican Hut“ aus Silber (Bestes Team ohne Streichergebnisse) gewannen eine der wohl herausragendsten FD-Segler aller Zeiten: die Dänen Joergen / Jacob Bojson-Moller. Juergen war bereits zu olympischen Zeiten des FD zweimal Weltmeister und danach noch zigfach. Und sogar Olympiasieger 1988.

Das Besondere am WM-Sieg Lüdtke / Schäfers: Erst nach langen 26 Jahren (nach dem letzten deutschen Titelgewinn 1996 durch Ulf Lehmann / Stefan Mädicke) gelang den beiden Norddeutschen erstmals wieder ein WM-Titel für Deutschland – der 10. seit 1956.

Nicht zu vergessen die süddeutschen Topsegler Hans-Peter Schwarz / Roland Kirst vom Herrschinger Segelclub. Sie belegten undankbaren aber dennoch sehr beachtlichen 4. Platz. Trotz eines technischen Defektes am Rigg und damit des Verzichts auf eine Wettfahrt. Ohne dieses Handicap wäre ein Medaillenrang durchaus möglich gewesen. Es wäre ihr achter WM-Podiumsplatz. Sehr beachtlich! Und ein vielleicht noch kommender WM-Titel wäre ihnen sehr zu gönnen. Und sicher nicht unverdient.

Gratulation den Medaillisten – und weiteren Top Ten-Seglern

Und respektvolle Anerkennung letztlich allen, die sich zur WM-Teilnahme entschlossen hatten und kämpferisch – ohne ging es gar nicht – ihr Bestes gegeben haben.

In diesem Sinne besonders auch Anerkennung an die Segler des SCAI, auch wenn sich einige ein besseres Endergebnis ausgerechnet hatten. Gut möglich bei mäßigeren Bedingungen.

Weitere Links:

Kurze Videos Tageszusammenfassungen:

1. Tag FD-WM

2. Tag FD-WM

3. Tag FD-WM – 1. Video

3. Tag FD-WM – 2. Video

4. Tag FD-WM

5. Tag FD-WM

5. Tag FD-WM Siegerehrung

Veranstalter-Webseite mit Fotos usw.

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